Grundgesetz Narrative

Narrative sind vereinfacht ausgedrückt Erzählungen, die Menschen für ihre Entscheidungen nutzen. Sie genügen nicht zwingend wissenschaftlichen Erkenntnissen, müssen daher weder wahr noch richtig sein und entsprechen insofern auch nicht dem wissenschaftlich verstandenen Vernunftbegriff. Dies ist bei Erzählungen auch nicht möglich, denn neben der Vernunft sind es die Gefühle, die Menschen ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln. Narrative helfen daher Beziehungsnetzwerke gestalten zumal wenn Resultate daraus durch politische Entscheidungsträger im parlamentarischen Willensbildungsprozess in Gesetzeswerke aufgenommen werden. Narrative genügen insofern auch dem Zeitgeist und unterliegen dem Wandel. Dieser narrative Gestaltungsprozess findet sich auch in unserer Staatsverfassung, dem Grundgesetz, genügt insofern auch einer durch eine politische Mehrheit vertretenen „Vernunftgemeinschaft“, die die Gefühlswelt beinhaltet.
Der Begriff Narrativ wurde erst zu Beginn dieses Jahrtausends in die politische Meinungsbildung eingeführt. Ich verwende ihn auch für historisch länger zurückliegende politische Willensbildungsprozesse. Hierzu gehört die Entstehungsgeschichte unseres Grundgesetzes, in dem seit Beginn zwei Begriffe die Welt der Kinder zu den Erwachsenen prägen: das Elternrecht und das Kindeswohl.
Der Begriff Elternrecht wurde durch den Philosophen Phillip Montague als Mythos bezeichnet, ein Begriff aus der Märchenwelt, einer Phantasiewelt. Diese Kritik erscheint hart für die politische Vernunftwelt und wird ignoriert, das Grundgesetz blieb unverändert. Märchen sind einfach zu schön um wahr zu sein, lassen die Menschen in ihrer Traumwelt, die Politiker in ihrem „Salon“ und die Kinder, sie hatten schon immer auf die Eltern zu hören und daran soll sich auch nichts ändern müssen. Schließlich bemüht sich die Erwachsenenwelt ja auch um das Kindeswohl. Mit diesem Begriff setzt sich die Juristin Elisabeth Rossa auseinander und stellt fest, dass es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt und nur im Einzelfall konkretisierbar sei. Auch in der Betrachtung des Einzelfalles entscheiden die Erwachsenen, was gut für das Kind ist, vor allem wenn es verwaiste Kinder sind, die in Massenunterkünften, genannt Kinderheime, aufwachsen müssen. Es betrifft eine Minderheit, die durch staatliche Bürokratie versorgt werden, eine Bürokratie, in der Gefühle zu zeigen, keine bürokratische Lösung bringt. Kinderheime können keine Eltern sein, sind lediglich organisationale Gebilde, die durch professionelle Erwachsene repräsentiert werden. Eltern repräsentieren sich jedoch selbst in der Soziokultur und erbringen damit das was Kinder brauchen bis es den Kindern genug mit der elterlichen Fürsorge ist und sie sich stetig verselbständigen. Dazu bedarf es eines permanenten Dialogs zwischen den Generationen Eltern und Kind. Dieser Dialog ist im Grundgesetz wenig sichtbar. Etwas mehr Klarheit hat unser höchstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Nicht Elternrecht und Kindeswohl nach Artikel 6 Grundgesetz sind oberster Maßstab, sondern die Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz, wozu für das Gericht auch die Kindeswürde gehört. Mit der Positionierung des Kindes auch in Artikel 1 Grundgesetz wird der Selbstbestimmtheit (der Autonomie) des Kindes nun ihre Bedeutung beigemessen, doch dazu wurde bisher das Grundgesetz nicht angepasst. Es bleibt somit Wissen unter juristisch Gebildeten, die auch mit dem Begriff Kindeswürde die Verankerung von Kinderrechten sehen und diese daher keiner weiteren Präzisierung bedürfen. Doch damit werden gerade nicht jene geschützt, die unseres höchsten Schutzes bedürfen, unsere Kinder. Auch wenn der Philosoph David Archard feststellt, dass wir mit Gesetzen unsere Kinder nicht erreichen, so ist doch auch schriftliche Klarheit für die Erwachsenenwelt nötig, denn Kinder lernen durch sie. Wenn unpräzise Gesetze mit Erzählungen, Narrativen, verwendet werden, dann stiften sie mehr Schaden als Nutzen. Die hohe Zahl an Kindesmissbräuchen ist mir ein Beleg dafür wie auch die Notwendigkeit, mit zusätzlicher staatlicher Bürokratie dagegen zuhalten. Es wäre Zeit die Narrative auf klare vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse abzustimmen und das Grundgesetz entsprechend anzupassen. Doch es scheint Hoffnung zu geben, die Bundesrepublik Deutschland hat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen bereits im Jahre 1989 ratifiziert und schließt sich dem dort gefassten Regelwerk an. Hierzu mehr im nächsten Kapitel UN-KRK.